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Macht im Business: zwischen Autorität und Wirksamkeit



Macht wirkt auf Menschen, Beziehungen und auf Kommunikation. Im Wortsinn bedeutet Macht zunächst (nur), Möglichkeiten zu haben. Ob wir Macht und Machtausübung mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen verbinden, hat viel mit unseren Werten und unseren Erfahrungen zu tun.


In Seminaren verwenden wir viel Zeit darauf, über Verantwortung zu sprechen. Wir betonen, dass wir nur für die Bereiche Verantwortung übernehmen können, die auch in unserem Einflussbereich liegen: unser Denken, unser Fühlen, unsere Sprache und unser Handeln. Verantwortung zu übernehmen und nicht anderen, weder Vorgesetzten noch unterstellten Kollegen zu übertragen, ist eine Entscheidung und damit Teil der Entscheidungsmacht. Es liegt in der Macht des Individuums zu entscheiden, wie es mit anderen (Kollegen, Vorgesetzten) umgeht und es liegt ebenso in der Macht des Individuums, wie es anderen (Kollegen, Vorgesetzten) erlaubt, mit ihm oder ihr umzugehen. Wird dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht, zeigt sich, dass in Unternehmen keineswegs der die Macht hat, der in der Hierarchie weiter oben steht, sondern der, der bereit ist, die Verantwortung für die Erfüllung seiner Bedürfnisse zu übernehmen und entsprechend zu kommunizieren.


Dramen rund um Macht und Ohnmacht spielen sich täglich in vielen Unternehmen überall auf der Welt ab. Dabei geht es immer um Macht innerhalb von Beziehungen zwischen Menschen. Denn sobald sich mehr als zwei Menschen in einem Raum befinden, ist automatisch die Beziehungs- und damit auch die Machtfrage präsent. Durch Beobachtung einer Unterhaltung wird schnell deutlich, wie die Macht zwischen Personen verteilt ist, wie es um die Stabilität der Beziehung steht und wie die Personen im Konfliktfall wohl miteinander umgehen werden. Dabei gilt: Je stabiler die Beziehung, umso weniger, müssen Beziehungs- und damit auch Machtfragen austariert werden. Das Kennzeichen instabiler Beziehungen ist, dass es quasi in einem Fort um die Beziehung und um die Macht in der Beziehung geht.


Vor diesem Hintergrund ist es immens wichtig, unabhängig von der Position innerhalb der betrieblichen Hierarchie, die Verantwortung für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse zu übernehmen. Dazu gehört auch die Verantwortung für das Bedürfnis nach Sicherheit, Gesehen-werden, Mitwirkung und Mitsprache, Wertschätzung der geleisteten Arbeit und der Person. Wenn wir darauf hinweisen, welche Rolle Verantwortung spielt, kommen in Seminaren häufig Fragen wie: “Aber wie kann ich denn meine Bedürfnisse schützen, wenn ich mich in der Hierarchie weiter unten befinde und somit wirtschaftlich abhängig bin?”. Diese Frage ist wichtig, denn sie stellt sich vielen von uns immer wieder. Auch in Situationen wirtschaftlicher Abhängigkeit halten wir es für wichtig, nicht darauf zu verzichten, eigene Bedürfnisse und die des Gegenübers im Blick zu behalten.


Dies wird hoch herausfordernder, wenn wir unter Stress geraten denn dann gehen uns schnell die Handlungsoptionen verloren. Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes keine Wahl und fühlen uns ohnmächtig. Und um unter Stress zu geraten braucht es im beruflichen Kontext meist nicht viel. Unter Stress sind wir evolutionär dazu verdammt, lediglich unter drei möglichen Handlungsoptionen zu wählen: Angriff, Flucht oder Erstarrung. Sich selbst dabei zu beobachten, wie man unter Stress reagiert, verrät viel über die eigene Persönlichkeit.


Mit den Mitteln der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) kann Macht in einer Weise gelebt werden, die Klarheit über die eigenen Grenzen schafft und die Grenzen des Gegenübers respektiert und wahrt. Um diese Macht wahrzunehmen, sind allerdings Kompetenz, Mut und Verantwortung nötig.

Kompetenz meint in diesem Kontext, dass alle Mitarbeiter in einem Unternehmen gut beraten sind, sich mit den Grundmustern menschlicher Kommunikation auseinander zu setzen. Wer gewaltfrei kommunizieren will, muss lernen, wie es funktioniert, was gewaltfreies Denken bedeutet und wie es sich von unserem alltäglichen Denken unterscheidet. Es geht also um Weiterbildung, um lebenslanges Lernen und das Reflektieren der eigenen sprachlichen Wirkung und Möglichkeiten.


Vorgesetzte darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten Grenzen überschreitet und als gewalttätig oder zumindest übergriffig verstanden wird, erfordert Mut und Fingerspitzengefühl. Andersherum braucht es ebenso Mut, Mitarbeitenden regelmäßig (gewaltfreies) Feedback über ihre Leistungen zu geben und rückzumelden, was läuft und wo es klemmt. Beides ist aber nötig, damit aus Macht über Menschen Macht mit Menschen werden kann. Denn das ist der Hauptunterschied im Einsatz von Macht in einem Unternehmen, wenn der Kurs von Alltagssprache auf Gewaltfreie Kommunikation geändert wird. Es geht um Er-Mächtigung und um Verantwortung.


Innerhalb der GFK gehen wir davon aus, dass wir alle zu 100 Prozent verantwortlich sind für die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Diese Form von bewusster Verantwortungsübernahme wird in unserem Alltag meist weder gelebt noch gelehrt. Gerade im beruflichen Kontext wird weniger gefragt, wer verantwortlich ist, sondern wer zuständig ist. Das ist einerseits zwar nötig, führt jedoch auch dazu, dass Regeln, Verordnungen und Gesetze dazu einladen, sich dahinter zu verstecken, um allzu großer Verantwortung aus dem Weg zu gehen. Das ist im Einzelfall sicher bequem, führt auf Dauer jedoch zu einem Klima der Entsolidarisierung, bei dem früher oder später Menschen unter die Räder kommen. Verantwortung im Sinne der GFK meint also auch, sich darüber klar zu sein, wie Macht im Sinne von Handlungsmöglichkeiten im Unternehmen verteilt und kontrolliert werden. Auch hier stellt sich die Frage: Will ich Macht mit oder Macht über Menschen ausüben? Die Antwort darauf muss jedes Unternehmen aber auch jedes Individuum für sich selbst finden. Und wenn Sie einmal gefunden wurde, ist es wichtig zu verstehen, dass alle Beteiligten Mitwirkende in einem Prozess sind, der immer in Bewegung ist und sein wird.

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