"Sind Sie bewaffnet?"
- Steffen Quasebarth

- 18. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Eindrücke meiner Israel-Reise

Jerusalem, Tel Aviv, Sderot – November 2025.
Ich bin zurück aus Israel. Und was bleibt, ist eine Mischung aus tiefem Respekt, Trauer, Bewunderung, Zweifel – und dem Wunsch, wieder hinzufahren.
Fünf Tage voller Gespräche, Begegnungen, Eindrücke. Und die Erkenntnis: Nichts in diesem Land ist einfach. Aber alles ist echt.
Zwischen Widerstandskraft und Widersprüchen
Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Resilienz der Menschen. In Gesprächen mit israelischen Bürgern, mit Unternehmern, Soldaten, dem Spokesman der Knesset und Friedensaktivisten spürte ich: Dieses Land steht unter permanentem Druck – und doch vibriert es vor Leben.
Ich denke an unseren Fahrer, 54 Jahre alt, Vater von fünf Kindern. Alle haben in der Armee gedient. Er auch. Kein Mitglied seiner Familie, das nicht einen Anschlag erlebt hätte. Und dennoch: Er liebt sein Land. Und er kritisiert es. Scharf.
Er ist wütend auf die ultraorthodoxen Juden, die keinen Wehrdienst leisten, keine Steuern zahlen und politischen Einfluss ausüben, ohne Verantwortung zu übernehmen. Er ist wütend auf Siedler, die palästinensische Olivenhaine niederbrennen – während seine Nachbarn auf friedlichen Dialog hoffen.
Er trauert um die Kibbuzim an der Grenze zum Gazastreifen. Jene Orte, deren Bewohner Lebensmittel nach Gaza lieferten, dort in Schulen arbeiteten – und am 7. Oktober 2024 als erste von der Hamas überfallen und ermordet wurden.

Und überhaupt - der 7. Oktober: Fragen, Trauer, Sprachlosigkeit
Der Terrorangriff der Hamas ist ein kollektives Trauma. Viele Fragen sind offen: Wie konnte das passieren? Warum hat der Mossad, der beste Geheimdienst der Welt - nichts gewußt? Warum waren Schutzmechanismen so spät wirksam? Und doch dominiert die Trauer.
Und die Shoa
In Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, traf ich junge Israelis, Mädchen und Jungen, stauend über uns Deutsche, neugierig, interessiert – einige bereits in Uniform. Für ihr Land zu kämpfen? Was für eine Frage!

Was blieb noch? Das Buch der Namen. 5 Millionen Namen von ermordeten Juden. Fünf Millionen Leben, ausgelöscht. Industriell ermordet. Unfassbar. Und doch anfassbar. Das Pergament trägt sie alle. Jeden einzelnen Namen.
In der Gedenkstätte für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder flossen Tränen. Nicht nur meine. Zu heftig die Emotionen.
Unvergesslich.
Was ich in an diesem Tag spürte, war nicht nur historische Verantwortung. Es war die tiefe Verbindung zu einem Land, das seit seiner Gründung ums Überleben kämpft – und das weiß, dass seine Existenz immer noch offen infrage gestellt wird. Von Regimen, von Ideologien, von Raketen.
Israel heute: Hochtechnologie trifft Existenzangst

Neben den stillen Momenten standen politische Gespräche auf dem Programm für mich unter anderem mit einer Friedensaktivistin im Peres Center for Peace.
Was mich dabei bewegte, war: Wie nah Angst und Hoffnung beieinander liegen. Und wie groß die Erwartungen an Europa sind.
Denn viele in Israel blicken mit wachsender Unsicherheit auf die Haltung der EU – und auf Deutschland. Die Loyalität bröckelt. Dass wir uns noch an die Staatsräson erinnern können und das Wort auch im Munde führen, wird allgemein wohlwollend zur Kenntnis genommen. Und doch hat Israel in seiner Geschichte gelernt: Am Ende kann es sich nur auf sich selbst verlassen. Was macht das mit diesem Land?

Politik in der Verantwortung
Natürlich ist so eine Reise auch politisch. Sie wurde in Thüringen organisiert, von der LEG, der Staatskanzlei (an dieser Stelle herzlichen Denk für die exzellente Vorbereitung) und angeführt von CDU-Ministerpräsident Mario Voigt. Der sprach von einem klaren Schulterschluss mit Israel. Das hat – zurecht – Diskussionen ausgelöst.
Doch, ich habe diese Reise nicht angetreten, um einseitige Botschaften zu transportieren. Sondern um zu verstehen, zuzuhören, zu lernen. Wer in einem solch komplexen Kontext einfache Parolen sucht, wird nur weiter polarisieren.
Israel ist ein Land voller Widersprüche. Es vereint Schönheit und Krieg, Liebe und Hass. Und: Es bleibt ein Schlüssel, wenn wir über Frieden im Nahen Osten sprechen wollen. Deshalb sage ich: Nicht weniger Dialog, sondern mehr.

Mein persönliches Fazit:
Ich bin mit vielen Fragen nach Israel gereist. Ich komme mit noch mehr Fragen zurück. Aber auch mit etwas, das mir besonders wichtig ist: Verantwortung zu übernehmen – auch als Politiker – bedeutet, sich der Wirklichkeit zu stellen. Nicht aus der Ferne. Sondern mitten im Leben.

I
ch danke allen, die mir diese Reise ermöglicht haben – besonders den Menschen vor Ort, die mit mir gesprochen, gestritten, geweint und gehofft haben.
Und Israel - auf eine Wort… ich möchte wieder kommen.



Kommentare